Grund und Gründung
Schnell klafften Einwohnerzahlen und Wohnraumangebot weit auseinander. Die Stadtoberen beschlossen daher die Gründung eines gemeinnützigen Wohnungsunternehmens. Ziel war der kommunale Beitrag zur Lösung der sozialen Aufgabe, Menschen gesunden Wohnraum zu bieten.
Am 21. August 1919 war es so weit: Die Stadt Saarbücken und 16 weitere Gesellschafter unterzeichneten einen Gesellschaftervertrag, der die Gründung der „Saarbrücker gemeinnützigen Siedelungsgesellschaft“ zum Inhalt hatte.
Im Gesellschaftsvertrag ist folgender Wortlaut zu lesen: „Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb von Baugelände und die Errichtung von Wohnhäusern. Der Zweck der Gesellschaft ist darauf ausgerichtet, minderbemittelten, besonders kinderreichen Familien zweckmäßig eingerichtete Wohnungen in eigens erbauten oder angekauften Häusern zu billigen Preisen zu verschaffen.“ Schon im Juli 1919 begann daher die „Geschäftsstelle für städt. Kleinwohnungsbau“ als Vorgänger des Unternehmens mit dem Bau von Wohnungen.
Bis 1944 errichtete die Siedlungsgesellschaft 545 Miethäuser mit 2.717 Wohnungen, darüber hinaus 894 Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern, welche verkauft wurden.
Nach dem 2. Weltkrieg musste das Unternehmen quasi wieder von vorne anfangen: 217 Häuser mit 1.295 Wohnungen waren komplett zerstört. Die Mehrzahl der restlichen Gebäude und Wohnungen war zum Teil erheblich beschädigt. Wiederaufbau und Instandsetzung dauerten bis 1960. Parallel dazu wurden im Krieg beschädigte Häuser wie zum Beispiel in Malstatt von der Gagfah angekauft und instand gesetzt oder fertig gebaut.
Eigentumsbildung bis in die 1960er Jahre
Eine weitere Aufgabe der Siedlungsgesellschaft war auch der Bau von Eigenheimen. Bereits in den 1930er Jahren wurde der Lindenhof in Burbach mit 236 Wohnungen in 118 Häusern gebaut. Auch Dorf im Warndt mit 122 so genannten Kleinsiedlerstellen war eine Baumaßnahme des Unternehmens. In den 1960er Jahren war das Modell von Kaufanwartschaftshäusern populär. Die Bewohner dieser Häuser mussten mindesten fünf Jahre bereits in den Wohnungen gelebt haben und die Hälfte des Kaufpreises aufbringen. Waren diese Kriterien erfüllt, konnten die Häuser übereignet werden. Beispiele hierfür sind Häuser „Im Sauerbrod“, im Escher Weg und insbesondere auch die Ein- und Zweifamilienhäuser auf dem Eschberg, den die Siedlungsgesellschaft als Bauträger in den Jahren 1962 bis 1965 mit insgesamt 1.264 Wohnungen bebaute.
Überhaupt war die „Siedlung“ in den 1960er Jahren prägend für den Wohnungsbau in Saarbrücken: Seinerzeit entstanden auf der Folsterhöhe 948 Wohnungen und weitere 162 Wohnungen auf dem Rodenhof.
Ab den 1970er Jahren verringerte sich die Zahl der Neubaumaßnahmen. Stattdessen ging man verstärkt Bauträgermaßnahmen für kommunale Bauvorhaben und Projekte der Stadtsanierung an und investierte in die Instandhaltung und Modernisierung der vorhandenen Wohnungsbestände.
Zur Jahrtausendwende war im Bestand der Siedlungsgesellschaft ein großer Instandhaltungs- und Modernisierungsstau zu verzeichnen. 1998 verstärkte man daher die Modernisierungsmaßnahmen in den Quartieren um ein Vielfaches, um den Bestand zukunftsfähig zu machen. Diese Aufgabe stellt auch heute noch eine große Herausforderung dar. Die Finanzierung der Modernisierungsmaßnahmen machte den Verkauf von Wohnungen über Jahre notwendig. Heute bewirtschaftet die Siedlungsgesellschaft rund 6.800 eigene Wohnungen. Damit wohnen rund sieben Prozent der Saarbrücker Haushalte in Wohnungen des Unternehmens.
Die aktuelle Diskussion um die Notwendigkeit bezahlbaren Wohnraums zeigt, wie wichtig ein kommunales Wohnungsunternehmen wie die Siedlungsgesellschaft ist. Derzeit sind rund 600 Wohnungen öffentlich gefördert. Ein durchschnittlicher Mietpreis von 5,36 € über den gesamten Wohnungsbestand zeigt jedoch, dass hier ein Akteur am Saarbrücker Wohnungsmarkt Wohnungen auch im frei finanzierten Segment zu sozialen Preisen vermietet. Mehr denn je wird die Notwendigkeit der sozialen Verantwortung in der täglichen Arbeit sichtbar.
100 Jahre Siedlung - ganz schön was draus gemacht
Saarbrücken im Jahr 1919: Mehr als 110.000 Einwohner zählte die Stadt in diesem Jahr – und der Bedarf an Wohnungen war groß. Die Wohnungspolitik der Kaiserzeit war Geschichte und an ihre Stelle trat die Wohnungs- und Städtebaupolitik der Weimarer Republik. Zusammengenommen mit der Wohnungsnot in Saarbrücken der ideale Zeitpunkt zur Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft, was am 21. August 1919 zum Abschluss des Gesellschaftsvertrages der Saarbrücker gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft führte, die noch vor Eintragung ins Handelsregister als „Geschäftsstelle für städtischen Wohnungsbau“ ihre Arbeit aufnahm. Aufgabe war „Erwerb von Baugelände und die Errichtung von Wohnhäusern ausschließlich zu dem Zwecke minderbemittelten, besonders kinderreichen Familien zweckmäßig eingerichtete Wohnungen in eigens erbauten oder angekauften Häusern zu billigen Preisen zu verschaffen. Nach Möglichkeit sollen die Wohnungen in kleinen Häusern mit Gärten errichtet werden.“ So lautete der – zugegebenermaßen für heutige Verhältnisse etwas sperrige – Gründungszweck der Siedlungsgesellschaft. Hier steckte die Idee der Wohnungsmarktregulierung der Weimarer Zeit ebenso drin wie die dringend gebotene Notwendigkeit, die Menschen aus überbelegten und maroden Altbauten herauszuholen.
Was vor 100 Jahren als Bauträger und Vermieter begann, ist heute ein kommunales Wohnungsunternehmen mit vielfältigen Aufgaben. Die Siedlung sichert in der Landeshauptstadt die Wohnraumversorgung breiter Schichten der Bevölkerung, übernimmt soziale Verantwortung, ist wichtiger Akteur in der Stadtteilentwicklung, meistert Anforderungen des gesellschaftlichen und demografischen Wandels, berücksichtigt die ökologischen Anforderungen des Klimawandels, gestaltet Wohnumfelder, schafft und sichert Arbeitsplätze und fördert die Ausbildung und Qualifizierung junger Menschen.
Maßgeblich für die Bewältigung dieser vielfältigen Aufgaben ist eine motivierte und kreative Belegschaft, ohne die all das nicht möglich wäre. Hinzu kommen die enge Vernetzung und der regelmäßige Informationsaustausch mit Ämtern, caritativen Einrichtungen, Gemeinwesenprojekten und zahlreichen weiteren Institutionen. Tag für Tag wird vor allem hinter den Kulissen vieles auf den Weg gebracht, damit Mieterinnen und Mieter ein Zuhause haben, in dem sie sich wohl fühlen. Dieses Miteinander von Siedlung, Netzwerkpartnern und Mieterschaft macht aus Gebäuden in einer Straße oder einen Stadtteil ein Wohnquartier, aus Wohnungen ein Zuhause und aus den Menschen, die dort leben, Nachbarn.
Insbesondere im Zuge der aktuellen Diskussion um bezahlbaren Wohnraum wird deutlich, wie wichtig die Siedlungsgesellschaft als Wohnungsunternehmen der Landeshauptstadt Saarbrücken ist: Während andernorts ehemals städtische Immobilienbestände von großen Wohnungsunternehmen erst aufgekauft, dann modernisiert und teuer weiter oder wieder vermietet werden, plant die Siedlung umsichtig Modernisierungen dort, wo sie notwendig sind. Diese Vorgehensweise sorgt auch langfristig für bezahlbare Wohnungen und strapaziert die Bewohner nicht über Gebühr. Die Zustimmungsquote bei Modernisierungsankündigungen liegt beim Unternehmen bei nahezu 100 Prozent – ein Beweis dafür, dass sich zeitgemäßes und bezahlbares Wohnen nicht ausschließen.